Verblüffender Nuancenreichtum
Eestlased Saksamaal | 07 Nov 2013  | EWR OnlineEWR
Mandolinenorchester Ettlingen spielt in der Spitalkirche

Von Gisela Brüning

Baden-Baden - Nachdem das logistische Problem, 60 Musiker im Chorraum der kleinen Spitalkirche zu positionieren, gelöst war, gab es keine weiteren Hürden, die das Mandolinen-Orchester Ettlingen mit seinen Gästen aus Estland unter Leitung von Boris Björn Bagger bei seinem Konzert am Donnerstagabend zu meistern hatte. „Classic meets Rock" titelte das Programm, das Boris B. Bagger präsentierte. Der aus Karlsruhe stammende und an der dortigen Musikhochschule lehrende Professor zählt international zu den bedeutendsten Gitarristen, der aber auch auf vielen Feldern der Musik erfolgreich unterwegs ist. Besondere Verbindung pflegt er zum baltischen Staat Estland, der ihn bereits mit dem höchsten Kulturorden würdigte.

Das Publikum in der gut besuchten Kirche erlebte Bagger sowohl als Dirigenten, als akustisch etwas mühsam zu verstehenden Moderator und als brillanten Solo- und Duo-Gitarristen. Zwei, nein eigentlich drei kongeniale Solisten versetzten mit dem Orchester das Publikum im Laufe des Konzerts in geradezu euphorische Stimmung: Am Schlagzeug Valdo Preema, der mit atemberaubenden Gigs die Atmosphäre aufheizte.
Boris Bagger dirigiert das Mandolinenorchester, hier mit Peter Lehel am Saxofon und Michael Rüber an der E-Gitarre. Foto: Brüning

Nicht weniger spektakulär „sang" die E-Gitarre von Michael Rüber, und Peter Lehel, bestens bekannt in Baden-Baden, bezauberte mit unerschöpflicher Virtuosität auf Sopran- und Tenorsaxofon. Besondere Aufmerksamkeit galt naturgemäß den Mandolinen, die nach den Worten des Dirigenten besonders für solche Interessenten geeignet seien, die beim Violinspiel scheiterten. Die Mandoline mit ihren vier Saitenpaaren und der mit der Geige identischen Stimmung „g-d-a-e" sei viel leichter zu spielen als das Bogen-Instrument und in allen Sparten der Musik einsetzbar. Den Beweis dafür lieferten zunächst Stücke von Händel und Mozart, wobei der vibrierende Mandolinen-Klang Assoziationen zu neapolitanischer oder slawischer Folklore weckte. Mit dem Can Can von Jacques Offenbach wurde das Genre der Operette gestreift, und mit opulenter Filmmusik von geradezu verblüffendem Nuancenreichtum entfesselte das bunt gemischte Ensemble gewaltige Power.

Die steigerte sich noch im zweiten Teil des Programms, das Züge einer Jamsession im sakralen Gemäuer annahm. Boris Bagger und Michael Rüber versprühten lateinamerikanisches Temperament im Duo Gitarre/E-Gitarre. Peter Lehel beherrschte die Szene mitreißend unter anderem mit einem Blues von Gustav Gunsenheimer, kein Halten mehr gab's fürs Publikum, als in wechselnder Besetzung bekannte Songs von Michael Jackson, Gerry Rafferty, Metallica oder Gary Moore als ungewöhnlich fantasievolle Arrangements ertönten. Mit Pink Floyd trat für den Zuhörer eine fast psychedelisch entspannte Phase ein, bis er sich im donnernden Schlagzeug-Gewitter ins Hier und Jetzt zurücktastete, bevor er sich erneut den verebbenden Klängen hingab. Die Resonanz auf dieses außergewöhnliche Konzert entlud sich in frenetischem Applaus.

 
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